Comics in Ungarn
Importe in die DDR
Ab Ende der 1960er Jahre, als die Comics in FÜLES so richtig Fuß gefasst hatten, begann Tibor Cs. Horvath, durch die europäischen Zeitschriften- und Zeitungsredaktionen zu reisen. Er hatte eine Mappe mit Beispielseiten seiner Zeichner dabei, die er in den Redaktionen zum Abdruck anbot.
In der DDR stieß er dabei vielerorts auf offene Ohren. Die neue Chefredaktion der FRÖSI sah es ab 1968 als kostensparende Maßnahme an, statt hochbezahlter einheimischer Zeichner lieber Ungarn-Importe zu veröffentlichen, oft jedoch leider rabiat redaktionell bearbeitet. Sie tat das bis etwa 1980 und dann noch einmal, nun wesentlich sorgfältiger, mit ein paar Serien ab 1988.
In der Trommel, die mehr Ungarn-Importe abdruckte als jede andere DDR-Zeitschrift, bekam Horvath vermutlich deshalb bereits 1969 einen Fuß in die Tür, weil er auch politische und sozialistisch-propagandistische Stoffe anbieten konnte, und weil er durch ein paar Ummontagen und Kürzungen auch andere Formate als die Standardseitengröße des FÜLES herzustellen in der Lage war (siehe die verschiedenen Fassungen des Dschungelbuch). Dabei soll Horvath allerdings nciht zimperlich mit den Originalen gewesen sein: Er schnitt sie auseinander, bearbeitete die Texte und überklebte Teile der Zeichnungen mit Sprechblasen. Die unten gegenübergestellten Seiten aus dem Graf von Monte Christo legen nahe, dass die Trommel-Fassung wesentlich mehr von Korcsmaros' ursprünglichen Bildern zeigt.
Die Trommel-Redaktion wiederum konnte durch die Ungarn-Importe ihr Personal mit weiteren Tätigkeiten versorgen. So musste der von einer ungarischen Bekannten Horvaths in holpriges Deutsch übertragene Text verfeinert werden, die Kolorierung und das aufwändige Handlettering beschäftigten ebenfalls jemanden. Die ungarischen Bildgeschichten, allen voran die von Attila Dargay, prägten von Mitte der 70er an die großformatige Comicseite der Trommel. Ab 1985 ging man jedoch dazu über, nur noch früher bereits erschienene Comics zu recyceln, vermutlich aus ökonomischen Gründen.
Weitere Geschichten erschienen auch in Atze sowie auf den Kinderseiten der für Erwachsene produzierten Illustrierten NBI, Freie Welt und anderen Blättern. Die Größenformate waren sehr unterschiedlich, von A6 bis größer als A4 je Originalseite, das Lettering geschah mal maschinell, mal von Hand, und gelegentlich wurden die im Original schwarz-weißen Strips zwei- oder vierfarbig nachkoloriert.
Auf diese Weise sind aus dem riesigen Fundus der ungarischen Comics schätzungsweise 1.000 Seiten in der DDR veröffentlicht worden. Sie machen damit einen nicht unerheblichen Anteil der hier erschienenen Bildgeschichten und damit der Comic-Sozialisation der kindlichen und jugendlichen Leser jener Jahre aus.